Korruptionsgefährdete Strukturen? – Förderaffäre im Sozialministerium: Sachsens Rechnungshof bleibt bei Vorwürfen

Zum ersten Mal nimmt der Sächsische Rechnungshof Stellung zu seiner Kritik am Haus von Petra Köpping (SPD). Die Ministerin verweist darauf, dass sie bereits reagiert habe.

Der Sächsische Rechnungshof hat erstmals öffentlich Stellung zur Förderaffäre im Sozialministerium von Petra Köpping (SPD) genommen. Der Sonderbericht, der die Förderung von Integrationsmaßnahmen für Flüchtlinge überprüft hat, wurde am Donnerstag vorgestellt. Der Rechnungshof blieb darin bei seinen Vorwürfen.

„Die Förderung verlief inhaltlich und fachlich weitgehend ungesteuert. Es entstand der Eindruck, dass es oftmals eher darum ging, wer gefördert wird und weniger für welchen Zweck“, sagte Rechnungshofdirektor Gerold Böhmer. Die Prüfer gehen auch weiterhin davon aus, dass sich im Sozialministerium „korruptionsgefährdete Strukturen“ entwickelt haben. Es ergebe sich eine „deutliche Häufung von Anzeichen für nicht integres Verhalten“, heißt es im Bericht.

Köpping räumt Fehler ein

Der Prüfbericht, der sich vor allem mit der Fördermittelvergabe in den Jahren von 2015 bis 2019 beschäftigt, lag bislang nur intern vor. Er war im August öffentlich geworden. Vor allem ein Verdacht gegen den ehemaligen Staatssekretär Sebastian Vogel (SPD) sorgte für Aufsehen. Ihm wird vom Rechnungshof vorgeworfen, er habe als damaliger Abteilungsleiter bei Entscheidungen über Zuwendungsverfahren gegen ein „Mitwirkungsverbot“ verstoßen, das die damalige Staatssekretärin erlassen hatte. Vogels Lebensgefährtin ist Geschäftsführerin eines beteiligten Vereins. Inzwischen wurde Vogel als Staatssekretär entlassen.

Ministerin Köpping hat zwar eingeräumt, dass es zu Fehlern in ihrem Haus gekommen ist. Sie weist den Korruptionsverdacht aber zurück: „Niemand in unserem Haus hat Bescheide verfasst und dabei bewusst gegen Recht verstoßen. Niemand wollte rechtswidrige Bescheide erlassen. Es gibt nicht einmal ansatzweise ein strafbares Handeln“, sagte sie bei einer Sondersitzung des Landtags.

Ministerium beauftragt Wirtschaftsprüfung

Das Sozialministerium hat eine Wirtschaftsprüfung beauftragt, etwaige korruptionsgefährdete Strukturen zu prüfen. Diese seien zum Ergebnis gekommen, dass die im Sozialministerium „ergriffenen Maßnahmen zur präventiven Korruptionsbekämpfung (…) ausreichend Rechnung getragen werde“, schreibt das Ministerium in seiner Stellungnahme zum Bericht.

Die Ministerin und die SPD verweisen zudem auf die Generalstaatsanwaltschaft. Die Ermittlungsbehörde sieht „keinen Anfangsverdacht für ein strafbares Verhalten“, wie ein Sprecher im Sommer mitteilte. Das Sozialministerium selbst hat inzwischen Strafanzeige gegen einen Träger gestellt, wie es aus seiner Stellungnahme hervorgeht.

Rechnungshof kritisiert „Näheverhältnisse“

Der Rechnungshof kritisiert in seinem Bericht prinzipiell, dass es „Näheverhältnisse und Beziehungsgeflechte“ zwischen den Fördermittelempfängern und den Entscheidern im Ministerium gegeben habe. Das Ministerium wehrt sich dagegen.

„Die politische und gesellschaftliche Entwicklung lebt davon, dass miteinander gesprochen und gemeinsam Lösungen und Fortschritte gesucht werden“, argumentiert es in der Stellungnahme. „Zu den Kernaufgaben von politischen Entscheidungsträgern gehören Besprechungstermine mit verschiedenen Einrichtungen und Personen.“ Eine Entscheidung über die Mittelvergabe sei damit nicht verbunden.

Förderverfahren verlief nicht rechtmäßig

Auch Köpping gibt zu, dass die Förderverfahren nicht rechtmäßig abliefen. Man habe die Rechtmäßigkeit des Förderverfahrens nicht „in all seinen Phasen und zu jedem Zeitpunkt“ sichergestellt“, sagte sie im Landtag. Auch die Innenrevision des Ministeriums kommt zu dieser Einschätzung. Sie wird vom Rechnungshof zitiert: „Bei allen Verfahrensschritten ist erhebliches rechtswidriges Verhalten festzustellen.“

Das Ministerium hat die Förderrichtlinie für Integrative Maßnahmen inzwischen weiter überarbeitet. Die aktuelle Version wurde vom Kabinett am 14. November beschlossen. Die alleinige Zuständigkeit für das gesamte Bewilligungsverfahren liegt nun bei der Sächsischen Aufbaubank. Man habe die „nötigen Konsequenzen“ gezogen, sagte Köpping.


Landtagsdebatte um Förderaffäre: SPD attackiert den Rechnungshof Sachsen

Bei der Sondersitzung des Parlaments verteidigt die SPD-Fraktion Sozialministerin Petra Köpping und kritisiert die Rechnungsprüfer. Auch die Ministerin äußert sich erneut.

Die SPD hat lange zur Sache geschwiegen: Fraktionschef Dirk Panter und der Co-Parteivorsitzende Henning Homann hatten nur allgemein zu den Vorwürfen Stellung genommen, die seit vergangener Woche gegen das Sozialministerium ihrer Parteifreundin Petra Köpping erhoben werden. Zu einem bisher unveröffentlichten Bericht äußere man sich nicht, war der Tenor. So blieb die Kritik des Rechnungshofs an den Förderstrukturen für Integrationsmaßnahmen nahezu unwidersprochen. Seit diesem Donnerstag ist die Lage aber eine andere: Die SPD ist bei der Sondersitzung des Landtags zum Gegenangriff übergegangen.

Die anderen Fraktionen hatten bereits zu der Affäre Stellung genommen, als die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, Sabine Friedel, am frühen Nachmittag zum Rednerpult schritt. Bereits in ihrem zweiten Satz machte sie klar, wie sich der Fall für sie darstelle. Sie sehe eine „Kette der Verantwortungslosigkeit“, sagte Friedel. Und die beschränke sich nicht auf „Fehler und Nachlässigkeiten im Verwaltungsvollzug“ des Ministeriums.

SPD kritisiert Rechnungshof und Medien

Friedels Kritik zielte zunächst auf den Rechnungshof. Er habe das „Unvermögen“ offenbart, „auf den letzten Metern einer drei Jahre dauernden Prüfung (…) ein ordnungsgemäßes Prüfverfahren sicherzustellen“. Friedel zitierte aus dem Leitbild des Rechnungshofs, wonach dieser „konstruktive Kritik nach objektiven Maßstäben“ übe, die auf Kompetenz, Transparenz und Respekt beruhten. „Was wir gerade erleben“, sagte Friedel, „ist aus meiner Sicht eine erschütternde Unfähigkeit des Hofes, dieses eigene Leitbild einzuhalten.“ Die Behörde müsse prüfen, ob sie „stets zum Wohle des Freistaats“ und „nicht nur zum Wohle der Vorschriften“ handele.

Auch mit den Medien ging die SPD-Frau ins Gericht. Sie gehörten ebenso zur „Kette der Verantwortungslosigkeit“, weil sie umfangreich über „völlig interne Vorgänge“ berichteten: „Ohne dass die zugrunde liegenden Dokumente öffentlich verfügbar sind“. Friedel stellte sich vor Sozialministerin Köpping und den entlassenen Staatssekretär Sebastian Vogel (SPD), dem persönliches Fehlverhalten in der Affäre vorgeworfen wird. Beide hätten Verantwortung übernommen. Vogel habe versucht, „Verwaltung flexibel und unbürokratisch zu machen“. Es dürfe dabei aber nicht dazu kommen, dass eine Verwaltung „unprofessionell“ handele. Deswegen sei Vogels Versetzung in den einstweiligen Ruhestand richtig.

Köpping: Wir haben das Richtige nicht richtig getan

Die Sozialministerin ergriff ebenfalls das Wort in der Debatte. Erneut verwahrte sie sich gegen Anschuldigungen, „dass parteipolitische oder persönliche Interessen bei den Förderverfahren eine Rolle gespielt haben“. Erneut verwies sie auf die Umstände der Flüchtlingskrise, in der ihr Haus mit ganz neuen Strukturen gefordert gewesen sei: „Wir haben dafür gesorgt, dass in dieser Krise, in diesen turbulenten Zeiten, der soziale Frieden und der gesellschaftliche Zusammenhalt gewahrt blieb. Das scheint nicht allen zu gefallen.“ Sie betonte: „Niemand in unserem Haus (…) hat Bescheide verfasst und dabei bewusst gegen Recht verstoßen. Niemand wollte rechtswidrige Bescheide erlassen.“

Köpping fasste die Affäre folgendermaßen zusammen: „Wir haben das Richtige getan. Aber wir haben es nicht immer richtig getan.“

AfD sieht umfangreiche Vetternwirtschaft

Während die AfD in der Sitzung bemüht war, die Affäre als Beispiel einer umfangreichen Vetternwirtschaft in Sachsen darzustellen, sprachen sich die übrigen Fraktionen für eine sachliche Aufarbeitung aus. AfD-Fraktionschef Jörg Urban stellte fest, es sei grundsätzlich etwas faul in Sachsen: „Deswegen fordern wir heute die Mitglieder des Sächsischen Landtages auf: Zeigen Sie endlich klar und unmissverständlich die Rote Karte für alle in dieser Regierung, die korruptionsanfällig sind!“ Sie müsse jedem Verein den Geldhahn zudrehen, der „in Mauscheleien mit Mitarbeitern“ des Sozialministeriums verwickelt gewesen sei, sagte Urban in Köppings Richtung. Ansonsten sei sie als Ministerin untragbar.

Valentin Lippmann (Grüne) nannte das Agieren der AfD anschließend ein „bizarres Schauspiel“ und ein „schlechtes Laientheater“. Es gehe ihr darum, „schon wieder unverhohlen Dreck auf die Staatsregierung, auf die Zivilgesellschaft und auf Geflüchtete auszukippen, all diejenigen zu diskreditieren, die den Laden den ganzen Tag am Laufen halten.“

Sören Voigt (CDU) sah keinen Aufklärungswillen in den Reihen der AfD, sondern reines Kalkül: „Wieder einmal wirft die AfD Steinchen ins Wasser und schaut, welche Wellen sie machen.“ Deutlich wurde auch Linken-Fraktionschef Rico Gebhardt. Er nannte die AfD-Fraktion „eine verlogene Band gewissenloser Gesellen“. Sie halte von den Prinzipien des Rechtsstaats nichts und wollte schon ein Urteil sprechen.


 
Geld für Integrationsmaßnahmen – Nach Förderaffäre in Sachsen: Staatssekretär Vogel muss gehen

Sozialministerin Petra Köpping verteidigt ihren Staatssekretär Sebastian Vogel gegen die Vorwürfe, die der Rechnungshof erhoben hat. Dennoch zieht sie Konsequenzen. Reicht das aus?

Sozialministerin Petra Köpping (SPD) zieht wegen der deutlichen Kritik des Rechnungshofs an den Förderstrukturen in ihrem Haus personelle Konsequenzen: Sie habe den Ministerpräsidenten gebeten, Staatssekretär Sebastian Vogel (SPD) in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen, erklärte die Ministerin am Mittwochnachmittag. Vogel wird in der Affäre persönliches Fehlverhalten vorgeworfen.

Es sei im damaligen Geschäftsbereich nicht gelungen, „die Rechtmäßigkeit des Förderverfahrens in allen seinen Phasen sicherzustellen“, sagte Köpping zur Begründung. „Das bedaure ich sehr.“ Gleichzeitig betonte sie: „Die öffentlich diskutierten Vorwürfe zu politischen oder persönlichen Vorteilen weise ich allerdings ganz klar und entschieden zurück“ – sowohl vom SMS insgesamt als auch mit Blick den scheidenden Staatssekretär. Sie sei Vogel „dankbar für seine Tätigkeit in den letzten Jahren“.

Vogel äußert sich erstmals öffentlich zur Affäre

Das Sozialministerium verbreitete in einer Pressemitteilung am Nachmittag auch ein Statement von Vogel: „Zu keinem Zeitpunkt habe ich in meiner Tätigkeit persönliche oder parteipolitische Vorteile gesucht oder erlangt“, teilt er darin mit. „Aber: Durch mein damaliges Bemühen, unbürokratisch und unkonventionell zu handeln, ist im verwaltungsrechtlichen Sinne eben teilweise auch sehr unprofessionell gehandelt und entschieden worden.“ Dadurch lasse sich ein „böser Schein“ von willkürlichem Verwaltungshandeln konstruieren.

Auslöser für die Entwicklungen war ein bislang unveröffentlichter Prüfbericht des Rechnungshofs, dessen Inhalt vergangene Woche bekannt geworden war. Die Rechnungsprüfer hatten die Förderung von Integrationsmaßnahmen für Geflüchtete in den Blick genommen – vorrangig für die Jahre 2016 bis 2019. Dabei fanden sie eine „Vielzahl von Anzeichen für nicht integres Verhalten“, wie es im Bericht heißt. Es hätten sich „korruptionsgefährdete Strukturen“ entwickelt.

Ministerium schickt abschließende Stellungnahme

Dem bisherigen Staatssekretär Vogel wird vom Rechnungshof vorgeworfen, er habe als damaliger Abteilungsleiter bei Entscheidungen über Zuwendungsverfahren gegen ein „Mitwirkungsverbot“ verstoßen, das die damalige Staatssekretärin erlassen hatte. Vogels Lebensgefährtin ist Geschäftsführerin eines beteiligten Vereins.

Dem Rechnungshof sei mittlerweile die abschließende Stellungnahme zum Prüfbericht zugesandt worden, sagte Köpping. Man habe dabei eine Übersicht „aller Maßnahmen übermittelt, die das Sozialministerium zur Verbesserung der Förderverfahren ergriffen hat und ergreifen wird“. Interne Aufseher ihres Hauses hätten zudem bereits eine „umfassende Prüfung“ durchgeführt, die in den Fachbereichen ausgewertet wurde. Es habe darüber hinaus eine „Gefährdungs- und Risikoanalyse“ gegeben, die in eine Überarbeitung der Förderrichtlinien eingeflossen sei.

Köpping räumte bereits Versäumnisse ein

Bereits nach dem Bekanntwerden der Kritik vonseiten des Rechnungshofs hatte Köpping Versäumnisse in ihrem Haus eingeräumt: „Dass es in den ersten Jahren der Integrationsförderung offenbar zahlreiche Defizite im Vollzug gegeben hat, ärgert und schmerzt mich sehr.“ Man habe inmitten des Syrien-Kriegs und der sogenannten Flüchtlingskrise eine große Aufgabe zu bewältigen gehabt. In der Eile sei „die konzeptionelle Arbeit für das neue Förderprogramm möglicherweise zu kurz“ gekommen.

Köppings Personalentscheidung kommt vor der Sondersitzung des Landtags am Donnerstag, die die AfD-Fraktion zur Affäre beantragt hat. Mit Spannung wird erwartet, ob und in welcher Form sich die Sozialministerin im Plenum äußern wird. Vogels Entlassung sei nur „das absolute Minimum“, sagte AfD-Fraktionschef Jörg Urban. „Es darf nun jedoch nicht bei diesem Bauernopfer bleiben.“

Nach seiner Entlassung in den Ruhestand stehen Vogel drei weitere Monate volle Bezüge von rund 13.000 Euro zu. Danach hat er Anspruch auf ein Übergangsgeld, das 71,75 Prozent der Dienstbezüge beträgt. Der Zeitraum der Zahlungen richtet sich nach der Dauer der Amtszeit. Vogel war im Juli 2021 ernannt worden. Ob es einen Nachfolger auf seiner Stelle geben wird, blieb am Mittwoch offen.


Köpping reagiert auf Vorwürfe des Rechnungshofs: „Hat Defizite gegeben“

Sozialministerin Petra Köpping (SPD) will wegen der Kritik die entsprechende Förderrichtlinie überarbeiten. Parteifreunde verteidigen die Ministerin, die Opposition verlangt Aufklärung.

Das sächsische Sozialministerium hat auf die scharfe Kritik an den Förderstrukturen im Integrationsbereich reagiert. Ministerin Petra Köpping (SPD) räumte am Donnerstag Versäumnisse ein. „Dass es in den ersten Jahren der Integrationsförderung offenbar zahlreiche Defizite im Vollzug gegeben hat, ärgert und schmerzt mich sehr“, sagte sie. Man habe inmitten des Syrien-Kriegs und der sogenannten Flüchtlingskrise eine große Aufgabe zu bewältigen gehabt. „Sachsen musste den Kommunen, Ehrenamtlichen und Geflüchteten schnell und unbürokratisch helfen, um den sozialen Frieden zu wahren. Unter dieser Eile kam die konzeptionelle Arbeit für das neue Förderprogramm möglicherweise zu kurz.“

Der Rechnungshof erhebt in einem bisher unveröffentlichten Prüfbericht, der die Förderpraxis für Integrationsmaßnahmen vorrangig in den Jahren 2016 bis 2019 analysiert, schwere Vorwürfe gegen das Ministerium. Unter anderem sahen die Prüfer eine „Vielzahl von Anzeichen für nicht integres Verhalten“ und „korruptionsgefährdete Strukturen“. Diese hätten sich auch durch persönliche und personelle Verflechtungen zwischen Ministerium und Antragsstellern ergeben. Unter anderem steht der heutige Staatssekretär Sebastian Vogel (SPD) im Fokus. Köpping kündigte an, dass die betroffene Richtlinie grundlegend überarbeitet werde: Sie sei auch seit 2019 mehrfach angepasst worden.

AfD spricht von „Clanstrukturen in der Regierung“

Die Opposition verlangte in der Förderaffäre rasche Aufklärung. „Nicht nur in Berlin, sondern auch in Sachsen gibt es Clanstrukturen in der Regierung. Das Ausmaß ist jedoch noch entsetzlicher, als wir bisher angenommen haben“, sagte AfD-Fraktionschef Jörg Urban. Der Staatsanwalt müsse die Vorwürfe rund um Staatssekretär Vogel aufklären. Die Generalstaatsanwaltschaft hatte am Dienstag mitgeteilt, dass sie nach einer Prüfung keinen Anfangsverdacht für strafbares Handeln sehe. Der Rechnungshof hatte ihr einen ersten Entwurf des Prüfberichts übergeben, weil er Anzeichen für Anhaltspunkte für mögliche Straftaten sah.

Die AfD hätte aufgrund ihrer Fraktionsstärke im Landtag die Möglichkeit, die Aufklärung der Sachverhalte auch im Parlament zu betreiben. Sie kann allein mit den Stimmen ihrer Fraktionsmitglieder einen Untersuchungsausschuss einsetzen. Aktuell gibt es aber in der AfD-Fraktion keine konkreten Pläne dafür. In die Überlegungen dürfte auch hineinspielen, dass es nur rund ein Jahr Zeit ist, bevor die nächste Landtagswahl ansteht. Bis dahin müsste ein Untersuchungsausschuss seine Arbeit abgeschlossen haben.

SPD-Chef Homann lobt Arbeit von Köpping

Die Linksfraktion forderte die Regierung auf, für Aufschluss zu sorgen. „Der Sächsische Landesrechnungshof ist nicht für eine laxe Prüfpraxis bekannt, weshalb die genannten Vorwürfe ernst zu nehmen sind“, sagte der Vorsitzende der Linksfraktion, Rico Gebhardt. Das Ministerium müsse eine „offene und offensive Aufklärung“ betreiben. Man solle Personen keinen Vorwand dafür liefern, „um weiter Stimmung zu machen gegen Menschen und Menschenrechte“.

Aus der Koalition äußerten sich Spitzenpolitiker nicht konkret zu den Vorwürfen. Der Prüfbericht liege offiziell noch nicht vor, hieß es von verschiedener Seite. SPD-Chef Henning Homann betonte auf Nachfrage, Köpping leiste seit 2014 „eine sehr wichtige Arbeit, insbesondere für den gesellschaftlichen Zusammenhalt“. Sie werde nun die richtigen Maßnahmen ergreifen. SPD-Fraktionschef Dirk Panter sagte: „Es ist ärgerlich, aber nie auszuschließen, dass Fehler passieren und im Rahmen von Prüfungen Mängel auftreten. Wer das Richtige tut, macht trotzdem nicht immer alles richtig.“

Die Grünen-Fraktionschefin Franziska Schubert lobte die Arbeit der verschiedenen Initiativen im Bereich Integration: „Ein Generalverdacht wäre die falsche Schlussfolgerung. Stichhaltige Versäumnisse müssen aufgearbeitet werden – auch, um Vertrauen nicht weiter zu beschädigen.“ Der Umgang mit öffentlichen Geldern erfordere Sorgfalt, „das steht außer Frage“. Die CDU nahm als einziger Koalitionspartner keine Stellung.


Umstrittene Förderpraxis: Das wird dem Sozialministerium in Sachsen vorgeworfen

Nach den Vorwürfen der „Vetternwirtschaft“ im Bundeswirtschaftsministerium hat nun auch Sachsen einen Fall von möglicher „Vetternwirtschaft“. Der Rechnungshof kritisiert die Förderstrukturen für Integrationsmaßnahmen des Sozialministeriums scharf.

Knapp 300 Seiten ist der bislang unveröffentlichte Prüfbericht des Sächsischen Rechnungshofs lang. Über Monate hat er die Fördermittelvergabe für Integrationsmaßnahmen unter die Lupe genommen. Das Ergebnis könnte für das Sozialministerium ungemütlich werden. Die LVZ beantwortet die wichtigsten Fragen zum Thema.

Was wird dem Sozialministerium Sachsen vorgeworfen?

Es ist eine ganze Reihe von Vorwürfen, die der Rechnungshof zusammengetragen hat. Sie alle kreisen im Kern darum, dass bei der Fördermittelvergabe für Integrationsmaßnahmen vieles im Argen lag: Die Richtlinie und die Fördergegenstände seien zu unbestimmt gewesen. Die Förderung verlief „inhaltlich und fachlich weitgehend ungesteuert“. Oftmals habe es an einem „konkreten, nachvollziehbaren und nachweisbaren Förderzweck“ gefehlt: Grundsätzlich sei „nahezu jedes Projekt, welches auch nur geringe Berührungspunkte mit dem Thema Migration und Integration hat, der Richtlinie zuordenbar“ gewesen. Zudem kommt der Rechnungshof zu dem Schluss, dass die persönlichen Verflechtungen zwischen den Entscheidern und den Mittelempfängern teilweise sehr hoch waren. Der Rechnungshof spricht von „korruptionsgefährdeten Strukturen“.

Bedeutet das, dass es sicher Korruption gegeben hat?

Nein. Diesen finalen Beweis führt der Rechnungshof nicht. Aber der Bericht zeigt auf, dass es dennoch den „bösen Schein“ der Parteilichkeit gibt. Beispielsweise wird der Fall des heutigen Staatssekretärs Sebastian Vogel (SPD) beschrieben, der als damaliger Abteilungsleiter bei Entscheidungen über Zuwendungsverfahren gegen ein „Mitwirkungsverbot“ verstieß. Seine Lebensgefährtin war Geschäftsführerin eines beteiligten Vereins.

Der Rechnungshof selbst geht nach der Prüfung der Fördermittelvergabe davon aus, dass möglicherweise Straftaten begangen wurden. Er hat eine erste Version des Berichts der Generalstaatsanwaltschaft in Dresden übergeben. Die Generalstaatsanwaltschaft teilt allerdings mit, dass sich bei ihrer Prüfung kein Anfangsverdacht für ein strafbares Verhalten ergeben habe.

Wie wurde entschieden, wer Fördermittel erhielt?

Das Sozialministerium und die Sächsische Aufbaubank hatten gemeinsam ein Rankingsystem erstellt, um eingereichte Projekte bewerten zu können. Das Sozialministerium vergab schließlich ab 2018 dafür die meisten Punkte. Für den Rechnungshof stellt sich das Bewertungssystem aber als „unsachgemäß“ dar: Fachlich fundierte Projekte seien abgelehnt, weniger geeignete Projekte bewilligt worden. Beispielsweise habe die Rangliste „ohne ersichtlichen sachlichen Grund“ überregionale Projekte – und dadurch auch bestimmte Vereine und Träger – bevorzugt, regionale Einzelprojekte waren benachteiligt.

Bei der Anwendung „nahezu aller Rankingkriterien“ habe man keine einheitliche Praxis vorgefunden, urteilt der Rechnungshof. „Dies betraf auch die Beurteilung, ob Projekte zuwendungsfähig waren.“ Beispielsweise wurden Projekte „trotz Erreichens der erforderlichen Punktzahl mit der Begründung fehlender Haushaltsmittel abgelehnt“, heißt es im Bericht. „Andere Projekte mit geringeren Punkten als erforderlich wurden dennoch bewilligt.“

Ein Teil der Projekte sei zudem mit dem Ziel konstruiert worden, „neue Tätigkeitsfelder und Finanzierungsquellen für den oder die Träger zu schaffen“. Mindestens zwei Zuwendungsempfänger seien mit der Begründung „aus politischen Gründen bzw. aus politischem Interesse“ gefördert worden.

Gibt es auch an den Projekten selbst Kritik?

Ja, durchaus. Bei den Projekten der 20 Zuwendungsempfängern mit den meisten geförderten Projekten sieht der Rechnungshof „erhebliche Mängel“ bei der Förderwürdigkeit der Projekte. Zum Beispiel wurde die Betreuung homosexueller Flüchtlinge durch einen Dresdner Verein finanziell unterstützt, der eine „Refugee Card“ konzipierte. Diese Karte berechtigte zum freien Eintritt in eine Sauna für homosexuelle Menschen. Dazu stellt der Rechnungshof fest: „Inwieweit für den freien Eintritt in eine Sauna eine integrative Wirkung als auch ein erhebliches Interesse (…) vorliegen, darf bezweifelt werden.“

Bei der Förderung eines Dachverbands finden sich ebenfalls Unklarheiten. „Laut Aktenlage“ sei der Dachverband aus politischen Gründen gefördert worden, „obwohl signifikante Missstände und Rechtsverstöße im Verein und bei der Projektdurchführung angezeigt wurden, die bis heute nicht vollständig und nachvollziehbar ausgeräumt sind“, heißt es im Prüfbericht.

Was sagt das Sozialministerium zu den Vorwürfen?

Das Sozialministerium äußert sich nicht zum unveröffentlichten Prüfbericht. Im Bericht selbst weist der Rechnungshof darauf hin, dass das Ministerium die „erheblichen Feststellungen“ mit der speziellen Situation des Hauses begründet. So war nach der Wahl 2014 der Geschäftsbereich Integration mit einer eigenen Ministerin neu aufgebaut worden, während parallel die sogenannte Flüchtlingskrise 2015 auftrat. Die personelle Ausstattung des Geschäftsbereichs „war gemessen an Größe und gesamtgesellschaftlicher Bedeutung unzureichend und verbesserte sich nur schrittweise und zeitverzögert“.

Warum ist der Bericht politisch brisant?

Politisch ist allein schon der Verdacht, es könnte zu „Vetternwirtschaft“ bei der Fördermittelvergabe gekommen sein, alles andere als harmlos. Vor wenigen Wochen musste der Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium gehen, weil er unter anderem daran beteiligt war, dass sein Trauzeuge den Chefposten bei einer Bundesagentur erhielt. Die Kritik des Sächsischen Rechnungshofs ist im Gegensatz dazu viel struktureller, auch wenn mit Staatssekretär Sebastian Vogel (SPD) eine Spitzenkraft des Ministeriums unmittelbar betroffen ist.

Für Sozialministerin Petra Köpping (SPD), die von 2014 bis 2019 Integrationsministerin und die kritisierten Strukturen verantwortete, kommen die Anschuldigungen auch persönlich zur Unzeit. Sie sollte nach den Sommerferien eigentlich zur SPD-Spitzenkandidatin für die Landtagswahl ausgerufen werden. Es ist nun zumindest unsicher, ob die Sozialdemokraten an diesem Plan festhalten.


Sachsens Rechnungshof sieht „bösen Schein“ der Parteilichkeit im Sozialministerium

Besteht bei der Vergabepraxis in Sachsens Sozialministerium Korruptionsgefahr? In einem bislang unveröffentlichten Prüfbericht geht die Behörde mit den Förderstrukturen für Integrationsmaßnahmen scharf ins Gericht: Es gebe den „bösen Schein“ der Parteilichkeit.

Der sächsische Rechnungshof bewertet die Förderung von Integrationsmaßnahmen durch das sächsische Sozialministerium mit scharfer Kritik: Es hätten sich „korruptionsgefährdete Strukturen“ entwickelt. Das geht aus einem bisher unveröffentlichten Prüfbericht der Behörde hervor, der der LVZ vorliegt. Es hätten sich bei der Analyse, die vorrangig die Fördermittelvergabe für die Jahre 2016 bis 2019 betrifft, eine „Vielzahl von Anzeichen für nicht integres Verhalten“ gefunden.

In einigen Fällen habe das Ministerium „aktiv“ gegen den Grundsatz der staatlichen Neutralität verstoßen, heißt es in dem Bericht. Insgesamt zeigten „die personellen, persönlichen und politischen Verflechtungen zwischen Entscheidungsträgern und bestimmten Zuwendungsempfängern wie auch zwischen Zuwendungsempfängern, dass ,man sich kennt‘“. Es gebe den „bösen Schein“ der Parteilichkeit.

Ministerium äußert sich nicht zu Vorwürfen

Zudem habe das Auswahlverfahren zur Vergabe der Fördermittel „insbesondere gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz“ verstoßen, urteilt der Rechnungshof. Ein entwickeltes Ranglisten-System zur Projektauswahl sei „nicht geeignet“ gewesen, die fachlich besten Projekte auszuwählen. Die Förderung sei „fachlich weitgehend ungesteuert“ verlaufen.

Das Sozialministerium teilte am Dienstag mit, man werde sich „über Sachverhalte im Entwurfsstadium“ öffentlich nicht äußern. Eine Sprecherin des Rechnungshofs sagt, man habe den Prüfbericht dem Sozialministerium und weiteren betroffenen Stellen übersandt. Diese hätten nun die Möglichkeit, sich bis zum 8. September zu den Kritikpunkten zu äußern.


Fördermittel für Integration – Korruptionsvorwurf im Sozialministerium: Scharfe Kritik von Sachsens Rechnungshof

Der Rechnungshof hat die Fördermittelvergabe für Integrationsmaßnahmen kritisch unter die Lupe genommen. Die Prüfer erkennen „korruptionsgefährdete Strukturen“. Es geht dabei auch um persönliche Verflechtungen.

Das sächsische Sozialministerium soll es bei der Fördermittelvergabe zur Integration von Migranten nicht allzu genau genommen haben. Das geht aus einem unveröffentlichten, knapp 300-seitigen Prüfbericht des Sächsischen Rechnungshofs hervor, der sich vorrangig mit den Jahren 2016 bis 2019 beschäftigt. Der Bericht liegt der LVZ vor. Es hätten sich bei der Auswertung eine „Vielzahl von Anzeichen für nicht integres Verhalten“ gefunden, heißt es darin. Die Häufung dieser Sachverhalte sei „besonders ungewöhnlich“. Der Rechnungshof kommt zum Ergebnis, dass sich „korruptionsgefährdete Strukturen“ ausgebildet hätten.

Ein Verdacht richtet sich gegen Sebastian Vogel (SPD), einen der zwei aktuellen Staatssekretäre im Ministerium. Dessen Lebensgefährtin ist Geschäftsführerin eines Vereins, der unter anderem Fördermittel erhielt und Teil eines größeren Netzwerks ist.

Die zuständige Staatssekretärin verfügte im Jahr 2015 zwar, dass sich Vogel als damaliger Abteilungsleiter bei der Umsetzung des Förderprogramms „Weltoffenes Sachsen“ zu enthalten habe, soweit das Netzwerk betroffen sei. Auch Vogels Abteilung sollte nicht involviert werden. Das Mitwirkungsverbot habe sich auch auf alle anderen Förderprogramme erstreckt, schreibt der Rechnungshof. Dennoch stellten die Prüfer fest: „Nach der vorgefundenen Aktenlage haben demnach der Abteilungsleiter und der zuständige Referatsleiter gegen die getroffenen Regelungen der Ministerin und der Staatssekretärin (…) verstoßen.“

Ungleichbehandlung, ungesteuerte Förderung, politische Interessen

Auch ein anderer Fall wird dem jetzigen Staatssekretär zur Last gelegt: Obwohl er vor seiner Zeit im Ministerium Vorsitzender des Ausländerrats Dresden war, habe er als Abteilungsleiter „Entscheidungsbefugnis“ über Zuwendungen an diesen Verein gehabt. „Da der Ausländerrat e.V. ohne sachliche Begründung eine Ausnahme vom Regelfördersatz (…) bekommen hat“ und unter anderem „eine überdurchschnittlich hohe Anzahl an Bewilligungen“, bestünden „Zweifel an einer unparteiischen Entscheidung“, schreibt der Rechnungshof. Vogel äußerte sich zu den Vorwürfen gegen ihn auf LVZ-Nachfrage nicht.

Die Vorwürfe gehen aber über den Fall Vogel hinaus. Das Auswahlverfahren zur Vergabe der Fördermittel habe „insbesondere gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz“ verstoßen, urteilt der Rechnungshof. Ein entwickeltes Ranglisten-System zur Projektauswahl sei „nicht geeignet“ gewesen, die fachlich besten Projekte auszuwählen. Die Förderung sei „fachlich weitgehend ungesteuert“ verlaufen, heißt es im Bericht.

„Böser Schein“ der Parteilichkeit

In einigen Fällen habe das Ministerium „aktiv“ gegen den Grundsatz der staatlichen Neutralität verstoßen, so der Rechnungshof weiter. Insgesamt zeigten „die personellen, persönlichen und politischen Verflechtungen zwischen Entscheidungsträgern und bestimmten Zuwendungsempfängern wie auch zwischen Zuwendungsempfängern, dass ,man sich kennt‘“. Es gebe den „bösen Schein“ der Parteilichkeit.

Die beanstandeten Strukturen betreffen vorrangig die Jahre 2016 bis 2019, als im Sozialministerium zwei Ministerinnen saßen: die damalige Sozialministerin Barbara Klepsch (CDU) und die damalige Integrationsministerin Petra Köpping (SPD). Die Fördermittel für Integrationsprojekte fielen in Köppings Zuständigkeit. Auch nachdem die Sozialdemokratin Ende 2019 das Sozialressort übernahm, blieb der Integrationsbereich im Haus.

Generalstaatsanwaltschaft sieht keinen Anfangsverdacht

Das Sozialministerium teilte am Dienstag mit, man werde sich „über Sachverhalte im Entwurfsstadium“ öffentlich nicht äußern. Im Bericht wird eine Stellungnahme des Ministeriums zu den Prüfungsergebnissen zitiert: Demnach seien die vom Rechnungshof festgestellten Punkte damit begründet worden, dass man nach 2014 einen neuen Integrations-Geschäftsbereich mit eigener Ministerin während der sogenannten Flüchtlingskrise aufbauen musste. Die personelle Ausstattung sei unzureichend gewesen.

Der Rechnungshof teilte auf Nachfrage mit, man habe den Prüfbericht dem Sozialministerium und weiteren betroffenen Stellen übersandt. Diese hätten nun die Möglichkeit, sich bis zum 8. September zu den Kritikpunkten zu äußern. Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat einen ersten Entwurf des Prüfberichts erhalten: Laut einem Sprecher sieht man hier aber keinen Anfangsverdacht für ein strafbares Verhalten.